Ich bin Opfer einer eBay-Betrügerei geworden. Es geht um etwa 110 Euro von meinem Hobbybudget, ist also verschmerzbar. Gestern kam Post von der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde. Das Schreiben nennt auch sehr aufschlussreiche Gründe dafür. Ich zitiere einmal großzügig (mit geändertem Namen des vermutlich nicht existierenden Beschuldigten):
Sehr geehrter Herr Meyer,
das Ermittlungsverfahren habe ich gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt.
Die Identität des "Vorname Nachname" ist bislang nicht ermittelt worden. Es ist zu befürchten, dass es sich dabei lediglich um eine fiktive Personalien handelt. Selbst wenn es diese Person tatsächlich geben sollte, wären zur Aufklärung der Tat umfangreiche Ermittlungen im Ausland erforderlich. Inhaber des Kontos, auf das der Kaufpreis überwiesen wurde, ist die Namemitgamingbezug Limited in Hong Kong. Diese Firma handelt mit virtuellen Gütern für (Online-)Computerspiele. Nach Auskunft der Handelsbank können sich Kunden der Namemitgamingbezug auf das Konto der Namemitgamingbezug Geld überweisen lassen. Dieses wird dann, basierend auf dem Verwendungszweck, auf das jeweilige Spielerkonto transferiert. Ein Rechtshilfeersuchen in Hong Kong erscheint wenig erfolgversprechend, da bei Schadenssummen in dieser Größenordnung Rechtshilfeersuchen oft nicht oder nur mit erheblicher Zeitverzögerung bearbeitet werden. Dass die Ermittlungen zur Ergreifung des oder der Täter führen und dass diese(r) in Deutschland für ihr Verhalten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, erscheint unter diesen Umständen sehr unwahrscheinlich. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird daher von weiteren Ermittlungen abgesehen.
Etwaige zivilrechtliche Ansprüche werden durch diesen Bescheid nicht berührt.
[…]
OK, well played. Aus meiner Sicht war die Transaktion bis auf den Neuaccount bei eBay unverdächtig. Die Auktion sah ganz normal aus, der Verkäufer hatte parallel noch ein paar andere Sachen eingestellt, alles stimmig. Zudem war der Versandmodus ausschließlich auf Abholung in Bergisch Gladbach festgelegt. Ich war dann der unterlegene Bieter bei 105 Euro, passt alles. Bei dem Preis wäre das ein ziemliches Schnäppchen gewesen. Bald nach Auktionsende bekam ich ein Angebot an unterlegene Bieter, weil der Hauptbieter abgesprungen wäre. Als Entgegenkommen bot mit der Verkäufer auch an, dass er die Ware doch verschicken kann, was ich gerne annahm, denn anderthalb Stunden hin und zurück um die Weihnachtszeit passte mir eher mittelmäßig in den Kram. Ich bat also um Zusendung von Bankdaten, die nicht kamen und auch nicht bei eBay hinterlegt waren. Aha, ein Verpeiler offenbar. Also nochmal nachgefragt und es kam eine Kontoverbindung, die auf den angeblichen Namen des Verkäufers passte. Bei einer deutschen Bank. Ich hatte also keinerlei Anlass zu Misstrauen, genau so laufen eBay-Transaktionen mit Privatleuten oft ab. Danach passierte eine Woche lang nichts, keine Trackingnummer, keine Ware. Also fragte ich nach und wurde gebeten, einen Kontoauszug an eine E-Mail-Adresse bei web.de zu senden. Das hat mich stutzig gemacht, aber das Onlinebanking der Bank bietet eine schöne Exportfunktion für einzelne Buchungen an und ich habe gesehen, dass man im eBay-Nachrichtensystem nicht einfach Dateien anhängen kann. Danach wurde behauptet, die Ware werde am nächsten Werktag verschickt, aber es kam nichts. Das war das letzte, was ich gehört habe, danach kam nichts mehr, auch auf die Disputklärung über das eBay-System nicht.
Der Teil ist langweilig, halten wir einfach fest: Ich habe an ein deutsches Konto Geld überwiesen, das auf einen Namen läuft, der sich mit den Angaben bei eBay deckt, Verwendungszweck war die Nummer der eBay-Transaktion.
Also die Betrugsmasche bei eBay mit Angeboten an unterlege Bieter kennt man ja, da wird dann aber einfach der Verkaufspreis hochgetrieben, was mich in dem Fall nicht gestört hätte. Spannend und für mich neu ist der Part, wie das Geld gewaschen wird, das verdient eine genauere Betrachtung.
Die Deutsche Handelsbank führt also ein deutsches Konto für eine im Nicht-EU-Ausland sitzende Limited und hat scheinbar auch kein Problem damit, dass Einzahlungstransaktionen auf völlig andere Namen reinkommen. Das überrascht mich offen gestanden doch etwas und wenn ich Zeit hätte, würde ich da mal hinterherrecherchieren. Warum ist das möglich? Dass mein Bankprogramm den Banknamen bei IBAN-Überweisungen nicht auflöst, war ungünstig, denn bei einem Privatkonto bei einer "Deutschen Handelsbank" wäre ich stutzig geworden.
Noch spannender ist aber der zweite Teil des Geldwäschesystems: Besagte Limited nimmt über Auslandskonten in verschiedenen Ländern Geld ein (zumindest in Deutschland, der Rest ist Spekulation) und schreibt es Usern eines Handelsplatzes für virtuelle (In-Game-)Güter gut. Ob die Betrüger dort für jede eBay-Transaktionsnummer einen Account mit gleichlautendem Namen anlegen oder ob mein Überweisungsnachweis genutzt wurde, um eine "verlorene" Transaktion zuzuordnen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich gehe aber davon aus, dass das zu unsicher und aufwendig wäre, auf solche Nachweise zu warten und dass das Verlangen nach einem solchen Nachweis nur eine Nebelkerze war. Innerhalb des in Hong Kong ansässigen Marktplatzes kann man das Geld dann schön zirkulieren lassen und ist einigermaßen sicher davor, dass der Anbieter mit irgendwelchen ausländischen Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet und da großflächige Geldflussanalysen bereitstellt.
Ich bin einigermaßen beeindruckt von der Idee, diese beiden an sich wenig verdächtigen Systeme in dieser Weise zu kombinieren. Hut ab, für meine insgesamt 112 Euro habe ich einiges geboten bekommen.
Bass erstaunt war ich auch, wie hinderlich das eBay-Disputsystem hier ist. Wenn man keinen Käuferschutz hat (nur mit PayPal), steht einem das System in erster Linie im Weg und ich habe sehr lange recherchieren müssen, bis ich eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gefunden habe. Das auch nur, weil eBay mit wiederholt Mails geschickt hat mit der Aufforderung, mich bei ihnen zu melden, wobei der Link in der Mail in das Disputsystem führt und die eBay-Kontaktieren-Funktion dort nur zur Verfügung steht, wenn es um eine Transaktion mit Käuferschutz geht. Die Dame am Telefon konnte meinen Ärger darüber nachvollziehen und räumte ein, dass das nicht gut gelöst ist. Dafür war sie kooperativ und schickte mir hilfreiche Informationen zu Betrugsfällen zu und die bei eBay hinterlegte Adresse des Verkäufers. Die es möglicherweise sogar gibt und ich gehe sehr stark davon aus, dass dort ein nichtsahnender Mensch wohnt, der jetzt der Staatsanwaltschaft unangenehme Fragen beantworten musste. Der Name ist jedenfalls googlebar in Bergisch Gladbach.
Nachtrag 07.03.2019 16:45: Ich habe mal bei der Bank nachgefragt, warum die Zahlungen annehmen, deren Empfänger klar vom eigentlichen Firmennamen abweichen. Zudem was sie vorhaben, gegen diese Masche zu unternehmen. Ich bin gespannt.
Zudem habe ich bei der Limited nachgefragt. Dort war man sehr nett und hat mir gerne Auskunft gegeben. Jemand hat da einen Account unter meinem Namen und irgendeiner Fake-E-Mail-Adresse angelegt, etwas gekauft und Vorkasse als Zahlungsmethode gewählt. Die Bestellnummer, die dann zur Zuordnung verwendet wird, sieht aus wie eine eBay-Transaktionsnummer und da habe ich wegen der Unübersichtlichkeit von eBay nicht gut aufgepasst, denn die weicht ab. Und auch geil ist, dass die in ihrem System bei den Zahlungen nicht sehen, wer im Empfängerfeld steht. Sie bekommen also gar nicht mit, dass da nicht ihr Name drin steht. Dass der Verkäufer die Versandkosten willkürlich um einen kleinen Betrag angehoben hatte, sorgt übrigens dafür, dass ich den korrekten und erstaunlich krummen Bestellbetrag überwiesen habe.
Unser Betrüger ist übrigens Fußballfreund, denn beide Fakenamen, die bislang aufgetaucht sind, führen zu deutschen Amateurfußballern aus NRW. Ich bleibe am Ball, das ist spannend.